Die Entwicklung von, aus Nutzerperspektive, guter Software, ist kein einfaches Unterfangen. Egal ob als externer IT-Dienstleister oder aber als interne Entwicklungsabteilung, Softwareprojekte bringen jede Menge Missverständnisse, Annahmen und Fehlinterpretationen von Informationen mit sich. Der oft zitierte Leitsatz „communication is key“ trifft dabei nicht nur im Alltag und in Beziehungen zu, sondern auch im Arbeitsumfeld. Genauer: Feedback is key.
Und zwar nützliches Feedback. Das altbekannte „Ich kenne meine Pappenheimer“ ist dabei kein guter Ratgeber. D.h. es reicht nicht, lediglich mit dem Business Consultant zu sprechen oder Annahmen über mögliche Nutzerbedürfnisse zu treffen. Wissen ist besser als Vermutungen. Deshalb gilt es, mit der zukünftigen Nutzergruppe in Austausch zu kommen. Nur so kann gemäß Kaizen, dem Prinzip zur kontinuierlichen Verbesserung, das zu entwickelnde Produkt stetig verbessert werden. Doch wie kommt man überhaupt an Feedback? Und was macht hochwertiges Feedback aus?
Die richtigen Wege gehen durch Kaizen (© Foto von 邱 严 auf Unsplash, Schriftzug eXXcellent solutions)
Wie in den letzten beiden Beiträgen unserer Kaizen-Reihe schon thematisiert, ist frühzeitiges Feedback wichtig. Ebenso wichtig ist allerdings auch einmal negatives Feedback zu erhalten oder sogar aktiv einzufordern, denn so kann Optimierungspotenzial effizient identifiziert und das Produkt signifikant verbessert werden. Dabei gilt das Fazit aus dem ersten Blogartikel:
„Je schneller wir beweisen, dass wir falsch liegen, desto schneller können wir aufhören, Geld dafür auszugeben. Je schneller wir erfahren, dass wir richtig liegen, desto mehr können wir iterativ investieren.“
– Michael Englbrecht, Portfolio Manager SAP
Frühzeitig die Nutzer:innen miteinzubeziehen, bedeutet häufig auch, dass das Ergebnis, welches man vorstellt, möglicherweise noch in einem Zustand ist, welcher eher weniger präsentabel ist. Dabei sollte stets der Ansatz „fail quick and cheaply“ verfolgt werden. Wichtig ist nur, den Nutzenden bewusst zu machen, mit welchem MVP-Stand sie testen. Erfahrungen zeigen, dass Nutzer:innen nicht wie befürchtet auf dem frühen Zeitpunkt und rohen Stand herumreiten, sondern froh sind schon früh und sehr entscheidend Einfluss nehmen zu können. Ein weiterer Vorteil sogenannter low-fidelity Prototypen ist psychologischer Natur. Probanden äußern ehrlicheres, kritisches Feedback, wenn sie nicht das Gefühl haben, ein Produkt mit viel bereits investiertem Input zu kritisieren. So erhalten wir genau das Feedback, das wir haben wollen.
„Ganz egal in welchem Stadium man sich befindet, die Rückmeldung und die Außensicht ist immens wichtig, egal ob zu Beginn, oder aber auch dann, wenn man sich gefühlt auf der Zielgeraden befindet.“
– Michael Englbrecht, Portfolio Manager SAP
Aber auch später im Projekt können Rückmeldungen wichtige weitere Erkenntnisse liefern, da viele Entscheidungen auf Annahmen beruhen, die validiert, korrigiert und geschärft werden müssen. Diese neuen Erkenntnisse sind grundsätzlich für alle Projektbeteiligten unerlässlich, um so kontinuierlich zu lernen (Continous Learning).
Doch wieso kann man nicht einfach die Nutzer:innen fragen, was sie wollen? Hier spielt die Psychologie eine Rolle. Nutzer:innen wissen häufig eben gar nicht so richtig, was sie wollen. Daher gilt es zu unterscheiden:
Wie einst Henry Ford sagte: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde“.
Um zu erfahren, was tatsächlich benötigt wird, gibt es unterschiedliche Methoden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Zielen sinnvoll eingesetzt werden können.
Zu Beginn eines Projekts geht es darum, zunächst einmal den Problemraum zu verstehen und die Nutzer:innen kennenzulernen. Dafür eignen sich beispielsweise die 360°-Analyse, Card Sorting, Umfragen oder Use Case Validation. Während der Design-Phase können beispielsweise A/B-Tests, Heuristische Evaluation oder Usability Tests hilfreich sein, um Usabilityprobleme zu identifizieren und Designentscheidungen zu validieren.
Nachdem die Anwendung ausgeliefert wurde, sind Umfragen adäquate Mittel, um Rückmeldung durch den Kreis der Nutzenden zu erhalten. Doch auch mit wenig bis keinen Mehraufwand für die Nutzer:innen kann man wichtiges Feedback einholen. Sogenanntes Ein-Fragen-Feedback hilft eine Übersicht über die generelle Stimmung der Nutzer:innen zu bekommen, Tools wie Matomo können mit Statistiken wie Verweildauer pro Seite und Nutzerflows genaue Einblicke in das Nutzungsverhalten bringen.
Feedback-Methoden in den unterschiedlichen Phasen eines Sprints (© eXXcellent solutions)
UX-Designer und Entwicklerinnen sollten sich von Anfang an aktiv beim Einholen von Feedback beteiligen. So können diese Berufsgruppen ihr Fachwissen direkt in die Beobachtung, Auswertung, Interpretation und Ableitung neuer Funktionalitäten investieren. Dadurch steigt die Identifikation zum Produkt, was sich wiederum positiv auf die Entwicklung auswirkt. Zusätzlich werden Missinterpretationen und Fehlkommunikationen durch stille Post der Stakeholder reduziert. Selbstverständlich muss die Anzahl der Anwesenden gut gewählt werden, denn fühlen sich die Testnutzer:innen beobachtet, handeln sie anders. Wir wollen jedoch den Umgang der Software unter gewohnten Bedingungen erforschen. Genauso wichtig wie die Auswahl der Beteiligten, ist die Auswahl der Testpersonen. Es muss darauf geachtet werden, eine für die Nutzergruppe repräsentable Stichprobengruppe zu untersuchen. Die Studiengröße für zuverlässige Aussagen hängt dabei stark von der gewählten Untersuchungsmethodik ab. Nur so können wir die Objektivität, Reliabilität und Validität von Nutzertests sicherstellen und möglichst viel für das Produkt herausziehen.
Ganz gemäß Kaizen können wir durch regelmäßiges Feedback kontinuierlich besser werden. Nach jedem Sprint werden die Ergebnisse des Sprints betrachtet und wie sich diese in das bisherige Produkt integriert haben. Rückmeldungen können zwar schmerzhaft sein, allerdings eben auch hilfreich, um das zu entwickelnde Produkt an den echten Bedürfnissen der Nutzenden auszurichten und nicht an ihnen vorbei – auch wenn das heißt, dass vormals getroffene Entscheidungen revidiert werden müssen. Grundsätzlich gilt: Bei jeglicher Art der Nutzerinteraktion sollte aktives Zuhören und Nachfragen gelebt werden.
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Michael Englbrecht: Michael Englbrecht ist Portfolio Manager SAP bei der eXXcellent solutions in Ulm. In seiner 23-jährigen Berufserfahrung im SAP-Bereich begleitete er viele Projekte bei der Umsetzung eigener UX-Konzepte und der Implementierung von SAP Fiori. In seiner Rolle als Business Manager leitet er außerdem Individual-Entwicklungsprojekte. Er ist Autor zahlreicher Bücher veröffentlicht beim Rheinwerk Verlag (SAP Press) u.a. zu SAP Fiori, SAP Schnittstellenprogrammierung und SAPUI5. |
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Veronika Ansorge: Veronika Ansorge ist Senior Software Engineer bei der eXXcellent solutions in Ulm. Seit 2020 ist sie als Beraterin und Entwicklerin im Bereich SAP und Web tätig. Weitere Schwerpunkte liegen in der Mensch-Computer-Interaktion und im agilen Entwickeln.
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Katja Kruse ist als UI/UX-Expertin bei der eXXcellent solutions in Ulm. Seit Oktober 2022 begleitet sie mehrere Projekte bei der Umsetzung eigener UX-Konzepte. Weitere Schwerpunkte liegen in der Entwicklung von Konzepten für interaktive Systeme im Einklang mit gängigen Usability Normen.
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