Um den Begriff „Design Thinking“ kommt man seit einigen Jahren in der Softwareentwicklung nicht mehr herum. Nicht umsonst gibt es Unternehmen, die ausschließlich darauf spezialisiert sind. Als Methodik des Human-Centered Designs hilft es, Probleme auf praktische und kreative Weise zu lösen. Dabei folgt das Design Thinking einem bestimmten Prozess und Prinzipien, um eine Lösung zu finden. Doch wie lassen sich diese sinnvoll einsetzen und wann lohnt es sich vom Prozess abzuweichen? Dieser Frage widmen wir uns im letzten Beitrag unserer Kaizen-Reihe.
Den richtigen Weg gehen mit User Centered Design (© generiert mit Firefly von eXXcellent solutions)
Design Thinking Prinzipien
Um Design Thinking näher zu beschreiben, betrachten wir zunächst die Prinzipien der Methodik. Diese betreffen drei Bereiche:
Wer? Design Thinking ist ein Human Centered Ansatz, der den Menschen in den Fokus stellt. Dies bezieht sich einerseits auf die Nutzer:innen und ihre Anforderungen, und andererseits auf das Team, welches diese umzusetzen versucht. Um verschiedene Sichtweisen zusammenzubringen, sollte das Team interdisziplinär aufgestellt sein und Mitarbeitende über ein T-Profil verfügen – also ein breites Wissen sowie tiefes Wissen in einem bestimmten Bereich mitbringen.
Was? Um sicherzustellen, dass am richtigen Problem gearbeitet wird, ist ein zentraler Punkt des Design Thinkings, ein gemeinsames Problembewusstsein im Team zu schaffen. Dabei ist es essenziell, die Komplexität des Problems zu akzeptieren und nach angemessenen Ideen für eine passende Lösung zu suchen, anstatt lediglich nach einer Vereinfachung Ausschau zu halten.
Wie? Im Gegensatz zum Brainstorming, folgt das Design Thinking einem bestimmten Ablauf und setzt bestimmte Methoden ein, die dazu dienen, die Perspektive der User einzunehmen und deren Probleme zu lösen. Bei der Ideenentwicklung ist es essenziell diese zu veranschaulichen, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und darauf aufbauend einen Prototyp zu entwickeln. Design Thinking lebt vom Machen, weniger vom langen Diskutieren und Abwägen, so just do it – seien es Zeichnungen, Prototypen, Nutzerstudien oder Umsetzungen. Dabei ist es wichtig stets den Prozessfortschritt im gesamten Team transparent zu machen.
Design Thinking Prozess
Design Thinking gliedert sich in zwei Zyklen. Der Makrozyklus (hellgrau) beinhaltet den Problemraum und den Lösungsraum. Beide sind diamantenförmig dargestellt. Dies repräsentiert die Vorgehensweise, zunächst in die Breite zu denken (divergentes Arbeiten), um eine Vielzahl von Sichtweisen und Ideen zu verfolgen, um anschließend die geeignetste Idee in der Tiefe zu untersuchen (konvergentes Arbeiten). Innerhalb dieses Makrozyklus wird durch den Mikrozyklus iteriert. Der Mikrozyklus beinhaltet sechs Schritte.
Iterativer Design Thinking Prozess (© Grafik von eXXcellent solution)
Der Prozess beginnt im Problemraum. Im ersten Schritt wird das konkrete Problem definiert und sichergestellt, dass jeder dieses vollumfänglich versteht. Im nächsten Schritt wird durch Beobachten der User und Kunden untersucht, wo das tatsächliche Bedürfnis der Nutzer:innen liegt. Dabei wird explizit darauf geachtet, das gemeinsame Problemverständnis aus dem ersten Schritt zu überprüfen. Anschließend werden im dritten Schritt die gefundenen Erkenntnisse zusammengetragen und bspw. in verschiedenen Personas oder Empathy Maps festgehalten. Dies hilft einen gemeinsamen Standpunkt zu erarbeiten, auf dessen Basis weitergearbeitet werden kann. Bis zu diesem Schritt betrachten wir das zu lösende Problem, es wird noch nicht über Lösungsansätze gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt ist das divergente und nachfolgend konvergente Arbeiten auf Basis des Problems einmal durchlaufen.
Im nächsten Schritt geht es in den Lösungsraum. Auch dort wird zunächst divergent in die Breite gearbeitet. Es werden möglichst viele Ideen generiert, die das Problem lösen könnten. Die Ideen mit dem größten Potenzial werden anschließend mithilfe von Prototypen evaluiert. Ein Prototyp kann dabei unterschiedlich aussehen. Von einer Geschichte mit Bildern, bis zu einem funktionalen Prototyp – je nach aktuellem Detailierungsgrad muss hier das Richtige gewählt werden. Diese werden dann im letzten Schritt getestet. Sind die Testergebnisse zufriedenstellend, kann der Prototyp weiter verfeinert werden. Sind die Ergebnisse jedoch unzufriedenstellend, kann eine andere Idee mithilfe eines Prototypen evaluiert werden oder das Problem nochmals genauer untersucht werden. Der gesamte Mikrozyklus verläuft dabei nicht linear, sondern es wird so lange zwischen den Prozessschritten iteriert, bis das Ergebnis zufriedenstellend ist.
Design Thinking nach Maß
Unsere Kernkompetenz ist das Entwickeln von Individualsoftware – maßgeschneidert für unsere Kunden und deren User. Dabei betrachten wir Probleme ganzheitlich, analysieren deren Ursprung und evaluieren Lösungsansätze, bis hin zur fertigen Anwendung. Dafür nutzen wir Design Thinking Methoden. Doch weshalb?
In der Softwareentwicklung, wie auch in anderen Bereichen, neigen wir dazu, ausschließlich das Symptom zu behandeln und die Ursache zu übersehen. Mittels Design Thinking Methoden gehen wir einen Schritt zurück: Wir betrachten das Problem lösungsoffen und versuchen es in der Tiefe zu verstehen. Anstatt eine vermeintlich offensichtliche Antwort auf ein vermeintlich oberflächliches Problem zu finden, beziehen wir verschiedene Perspektiven ein. Durch die Generierung vieler Ideen, können wir so schließlich eine passgenaue Lösung identifizieren.
In der Softwareentwicklung neigen wir dazu, das Symptom zu behandeln. Mit Design Thinking gehen wir einen Schritt zurück: Wir betrachten das Problem lösungsoffen und versuchen es in der Tiefe zu verstehen.
Dabei ist es uns nicht wichtig Design Thinking nach Lehre zu machen – sondern zu skalieren. Das bedeutet für uns, dass wir Design Thinking nicht starr nach dem Prozess „abarbeiten“, sondern die Methodiken gezielt nach Bedarf einsetzen, um bspw. ein Problem zu durchdringen, eigene Annahmen herauszufordern, Ideen zu entwickeln und zu validieren. Und dies konsequent am Ziel ausgerichtet mit dem Verzicht auf dafür unnötige Zusatztätigkeiten. Dabei geht es nicht nur darum Mehrarbeit zu vermeiden, vielmehr ist es auch wichtig Leerlauf zu vermeiden. Es sollte niemals der Fall sein, dass die „eigentliche Entwicklung“ aufgrund von noch nicht abgeschlossenen Design Thinking Prozessen ruhen muss.
Wir verstehen Design Thinking als ein Mindset, nicht als strikten Prozess.
Design Thinking Methoden helfen dabei, das richtige Mindset einzunehmen.
Idealerweise ist es also unabdingbar Probleme, die wir mit Hilfe von Design Thinking lösen bzw. Ideen, die wir mit Hilfe von Design Thinking evaluieren wollen, mit Vorlauf zu planen und umzusetzen. Wie dieser Vorlauf im agilen Arbeiten mit Sprints umgesetzt werden kann, haben wir im Artikel Das „Schweizer Taschenmesser“ für effizientes Teamworking aufgezeigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir Design Thinking als ein Mindset verstehen. Es hilft uns dabei, Herausforderungen lösungsoffen anzugehen und über das Beobachten und Ausprobieren von unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten zur besten Lösung für die Nutzer:innen und ihre Bedürfnisse zu kommen. Der Prozess sollte dabei nicht als strikte Vorgehensweise betrachtet werden, sondern an die jeweiligen Herausforderungen angepasst sein. Ist erstmal ein Verständnis des Problems geschaffen, lassen sich Design Thinking Methoden gezielt nach Bedarf einsetzen. Quasi Design Thinking nach Maß.
Kaizen – kontinuierliche Verbesserung durch User Centered Design
Kaizen – kontunierliche Verbesserung (© Foto von 邱 严 auf Unsplash, Schriftzug eXXcellent solutions)
Unter dem Begriff Kaizen haben wir dem Thema User Centered Design in einer Blogreihe besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Kaizen ist ein Konzept des Lean Managements, welches durch den japanischen Unternehmensberater Masaaki Imai bekannt wurde. Kai steht für „Veränderung“, Zen für „zum Besseren“. Zentral ist die Idee, dass durch das kontinuierliche Hinterfragen im Prozess, ein schlanker Projektablauf ermöglicht werden kann, indem Fehler frühzeitig erkannt und Umwege vermieden werden.
Und genau darum geht es beim User Centered Design: Wir hinterfragen unter Einbezug der User kontinuierlich, wie gut unsere Lösung ist, bis wir eine maßgeschneiderte Software entwickelt haben, die die Bedürfnisse unserer Kunden und deren Nutzer passgenau erfüllt. Dies erleichtert nicht nur die Arbeit von Entwickler:innen, sondern sorgt auch für Zufriedenheit auf Seite des Kunden und der User. Mehr zum Thema gibt es in unserer Blogreihe:
- Auf die Spec, fertig, los – Der effiziente Weg zur neuen Software?
- Featuritis ist heilbar – Der effektive Weg von der Idee zum nutzerfreundlichen Feature
- Feedback is Key – Was Nutzer:innen uns sagen
- Das „Schweizer Taschenmesser“ für effizientes Teamworking
- Zwei Paar Stiefel: Nutzer- vs. Kundenperspektive
- Lost im Feedback-Dschungel: Ein Guide zum Feature
Weitere Informationen:
Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Schreiben Sie unserem Portfolio-Manager Michael Englbrecht gerne eine E-Mail. Er freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme! michael.englbrecht@exxcellent.de
Oder informieren Sie sich auf unserer Website über unsere Kompetenzen im Bereich User Centered Design:
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Über Veronika Ansorge
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Veronika Ansorge ist Senior Software Engineer bei der eXXcellent solutions in Ulm. Seit 2020 ist sie bei eXXcellent solutions als Beraterin und Entwicklerin im Bereich SAP und Web tätig. Weitere Schwerpunkte liegen in der Mensch-Computer-Interaktion und im agilem Entwickeln. |
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